Work-Life-Balance und Handwerk sind zwei Begriffe, die man selten zusammen hört. Zum einen, weil Work-Life-Balance immer noch ein relativ neumodischer und englischer Begriff ist und zum anderen, weil Handwerker seit jeher selten außer Dienst sind. Mit dem Fachkräfte- und Personalmangel vor den Augen ist das Handwerk weniger attraktiv für neue Mitarbeiter, als andere Branchen. Die Vorstellung von einer hohen Arbeitsbelastung und damit verbunden die Erwartung, sich kaum noch auf ein Privatleben freuen zu dürfen, haften vor allem den Berufen im Bauhandwerk unmittelbar an. Die Befürchtung, die Arbeitswelt nicht mehr verlassen zu können und Privatem keinen Raum geben zu können, schreckt potenzielle Bewerber ab. Daher muss die Frage lauten: Lassen sich die zwei Welten vereinen, und wenn ja, wie?

Das Prinzip der Work-Life Balance

Ziel dieser Philosophie ist es, Leben und Arbeit in Einklang zu bringen, sodass man bei beiden Bereichen einen guten Weg gehen kann. Das heutige Verständnis sieht in Leben und Arbeit oft einen Gegensatz – aber gibt es diesen Gegensatz auch im Handwerk?

Fakt ist: Viele Handwerker tun in ihrem Job das, was sie lieben und was ihr Leben ist. Diese Handwerker werden sicher anders über das Thema Work-Life-Balance denken, als junge Auszubildende. Dennoch leiden sie auch unter Stress, dem man mit dieser gesunden Balance entgegenwirken kann. Und da liegt auch schon ein mögliches Problem: Was man sich unter Work-Life Balance vorstellt, ist sehr von der Person und deren Situation abhängig. Und je nach Sichtweise verändert diese Person lieber die Welt oder sich selbst.

Selbstanalyse

Sich selbst zu analysieren ist schwierig, aber nicht unmöglich. Man muss sich darauf einlassen, eine gewisse Distanz aufbauen und sich selbst beobachten – ohne Vorurteile, Entschuldigungen etc. Natürlich schafft niemand das vollständig, aber auch die Sicht anderer Menschen auf die eigene Person ist etwas verzerrt. Das Ziel ist, bei der Selbstanalyse sich und sein eigenes Handeln zu hinterfragen. Dadurch kann man neue Zielsetzungen für sich selbst sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich gewinnen. Viele Menschen sind auf die eine oder andere Weise starken Belastungen ausgesetzt, kompensieren diese aber nicht. Durch Selbstanalyse wird man in die Lage versetzt, das zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen. Eine gewisse Lebenserfahrung und Weisheit sind dabei sehr hilfreich.

Beispiel: Einige Fußballtrainer wie Pep Guardiola nehmen zwischen ihren Amtszeiten bei verschiedenen Klubs ein „Sabbatical“ (Sabbatjahr), also eine längere berufliche Auszeit. Um Abstand zu gewinnen und die eigenen Ziele neu zu stecken, kann das eine sehr effektive Maßnahme sein. Nun kann man natürlich sagen „Der kann es sich auch leisten!“. Aber auch wenn Sie kein ganzes Jahr ohne Arbeit leben können, sollten Sie ausreichend Zeit dafür freimachen.

Zeitmanagement

Work-Life Balance ist auch Zeitmanagement. Zeiteinsparungen ermöglichen Ruhephasen und können somit einen wichtigen Teil zur körperlichen und geistigen Gesundheit beitragen. Auch hier gibt es individuelle Unterschiede, aber auch eine Übereinstimmung: Zeit sollte sinnvoll und nützlich verbracht werden. Zeitmanagement ist eine Fähigkeit, die man lernen und verbessern kann. Manche Menschen – böse Zungen behaupten, besonders Handwerker – kommen einfach ständig zu spät. Eine realistische Einschätzung der Dauer von Arbeitsschritten und Aktivitäten fehlt diesen Menschen häufig. „Och, das haben wir in fünf Minuten fertig!“ wird dann schnell zu „Ah ja, doch so spät schon?“. Sich bei Aufgaben ein Zeitlimit zu setzen, kann eine große Hilfe sein, um ein besseres Zeitmanagement aufzubauen.

Fokussierung vs. Ablenkung und Erreichbarkeit

Besonders Handwerker kennen das: Eine Aufgabe erfordert volle Konzentration, aber hier fehlt Material, der Kollege hat gerade das Werkzeug ausgeliehen oder ein Kunde ruft an. Sorgen Sie dafür, dass Sie über einen vernünftigen Zeitraum hinweg fokussiert Ihrer Arbeit nachgehen können. Außerdem sollten Sie sich Zeit nehmen, auch mal nicht erreichbar zu sein. So wie ständige Erreichbarkeit andere Aktivitäten abwertet, werden diese durch die Fokussierung und nicht-Erreichbarkeit wieder aufgewertet. Schalten Sie z. B. abends das Diensttelefon aus oder deaktivieren Sie die Benachrichtigungen.

Fazit

Work-Life Balance ist ein sehr individuelles Thema, das sich auch mit dem Handwerk vereinen lässt. Wie viel Balance benötigt wird, was dafür förderlich ist und was nicht, hängt von der Einzelperson ab. Niemand wird ständig Arbeit und Privatleben gleichermaßen im Einklang haben – es gehört auch dazu, mit diesen Schwankungen umzugehen. Dennoch ist es wichtig, Work-Life Balance mitzudenken, um nicht Gefahr zu laufen, durch zu große physische und psychische Belastungen an der Ausübung der Arbeit und dem privaten Glück gehindert zu werden.