Was sollte ein Handwerker von einer Schauspielerin schon lernen können? Diese recht skurril anmutende Behauptung, man könne als Handwerker ausgerechnet von Barbra Streisand zu neuen Erkenntnissen gelangen, hat einen ernsten Hintergrund. Denn so manche Aktion fordert zu Reaktionen heraus, die genau das Gegenteil dessen hervorbringen, was eigentlich Ziel der Aktion war. Für Handwerker schlägt sich dies im Persönlichkeitsrecht und dem Umgang mit Meinungsäußerungen nieder.
Warum gerade Barbra Streisand?
Vor allem der älteren Generation ist die 1942 in Brooklyn geborene Dame als große Schauspielerin und Sängerin, aber auch Regisseurin ein Begriff. Immerhin ist sie mit über 145 Millionen verkauften Tonträgern nicht nur künstlerisch, sondern auch kommerziell äußerst erfolgreich im Unterhaltungsbusiness unterwegs. Zahlreiche Auszeichnungen belegen den Erfolg ihrer Arbeit. Eigentlich ist dies für sich betrachtet schon ein Grund, sich die als Barbara Joan Streisand geborene Künstlerin zum Vorbild zu wählen.
Allerdings unterlaufen auch einer äußerst erfolgreichen Frau wie Barbra Streisand Fehler. Das ist weder verwerflich noch ein Grund zur Schadenfreude, denn Irren ist menschlich und schließlich ist kein Schaden nicht wenigstens noch dazu gut, daraus klug zu werden. Das bedeutet, man kann aus einem Fehler auch lernen und daraus die Maßnahmen ableiten, die erforderlich sind, ihn nicht zu wiederholen.
Worum geht es beim Streisand-Effekt?
Mit dem Begriff „Streisand-Effekt“ wird ein Phänomen bezeichnet, bei dem es statt einer Verhinderung zu einer Verbreitung einer unliebsamen Information kommt. Dies kann auch bedeuten, dass die ergriffene Maßnahme wie z. B. ein juristisches Vorgehen genau das Gegenteil zur Folge hat, nämlich den Effekt, dass diese Information erst recht in den Blickpunkt einer bis dahin meist noch gar nicht dafür sensibilisierten Öffentlichkeit gelangt und sich danach erst recht und umso rascher und weiter verbreitet, als der Betroffenen lieb ist.
Dieses Phänomen hat seinen Namen deshalb nach Barbra Streisand erhalten, weil es im Zusammenhang mit ihrer Person erstmals in der heute bekannten Form beschrieben wurde. Vorausgegangen war ein gerichtliches Verfahren, das Streisand gegen einen Fotografen anstrengte. Dieser hatte ihr Hausanwesen in Kalifornien auf einer Luftaufnahme abgelichtet und diese mit rund 12.000 anderen Fotos auf seiner Homepage im Internet veröffentlicht. Wahrscheinlich wäre die Tatsache, dass es sich bei dem Anwesen, das auf besagtem Foto zu sehen ist, um das von Frau Streisand handelt, von den meisten Betrachtern der Fotos gar nicht bemerkt worden, hätte diese nicht durch den Gerichtsprozess die Verbindung zwischen ihr, dem Foto und dem darauf zu sehenden Anwesen selbst hergestellt.
Durch den Prozess geweckt, entfachte sich die Neugier der Öffentlichkeit an der Beteiligung einer bekannten Persönlichkeit und dies sorgte dafür, dass sich das Bild im Schneeball-Prinzip im Internet verbreitete. Dieser Effekt ist mittlerweile für eine Vielzahl prominenter Fälle im In- und Ausland beschrieben. Auch als Handwerker kann man von diesem Phänomen betroffen sein, wenn man etwa versucht, eine unliebsame Bewertung oder einen unliebsamen Kommentar in einer Bewertungsplattform oder in sozialen Medien wie Facebook mit juristischen Mitteln entfernen zu lassen und dadurch zu unterdrücken. Besonders kritisch wird es dann, wenn man – wie im Fall von Barbara Streisand – im Rechtsstreit auch noch unterliegt.
Die Tragweite des Persönlichkeitsrechts
Den juristischen Hintergrund bildet das Persönlichkeitsrecht des Unternehmers oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Wird ein Unternehmer beleidigt, liegt also eine Formalbeleidigung vor, muss er dies nicht hinnehmen und kann gegen Äußernden juristisch vorgehen. Allerdings sollte man sich klar machen, dass bloße Unhöflichkeiten für eine justiziable Beleidigung nicht ausreichen. Eine schlechte Kinderstube oder das Vergessen der guten Manieren, die der Äußernde dann doch vielleicht mal hatte, ist nicht strafbar. Dies musste beispielsweise ein Arzt aus der Pfalz erfahren, der sich gegen einen Patienten zur Wehr setzen wollte, der ihn in einem Ärztebewertungsportal als schlechten Mediziner gebrandmarkt hatte und dabei weder den akademischen Grad „Dr.“, noch die höfliche Anrede „Herr“ angebracht hatte.
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wird – anders als das Persönlichkeitsrecht – nicht absolut geschützt, d. h. dass besondere Schutzgesetze wie z. B. das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vorrangig angewendet werden. Damit verbunden ist eine Erleichterung in all den Fällen, in denen ein Wettbewerber eine Bewertung vornimmt oder einen Kommentar hinterlässt, der den Bewerteten in ein schlechtes Licht rückt. Wirkt die Äußerung nämlich in die Richtung, den fairen Wettbewerb auszuschalten, steht dem Bewerteten ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch zu. Erforderlich ist aber, dass tatsächlich ein Wettbewerbsverhältnis besteht, man also – zumindest potenziell – um denselben Kundenkreis wirbt und die Äußerung tatsächlich unsachlich, z. B. eine bloße Schmähkritik, oder objektiv unrichtig ist.
Anwendung des Rechts bei Bewertungen und Kommentaren
Bei allen Bewertungen oder Kommentaren, die in Bewertungsplattformen und sozialen Netzwerken hinterlassen werden, kann der Äußernde für sich das Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch nehmen. Dies bedeutet, dass er sich schlecht behandelt und nicht gut bedient fühlen und dies auch kundtun darf. An einer Meinungsäußerung fehlt es allerdings, wenn ihr nicht ein Tatsachenkern innewohnt. Bei Bewertungen gewerblicher Leistungen verlangt die Rechtsprechung als Minimalvoraussetzung, dass überhaupt eine Kundenbeziehung besteht. Wer kein Kunde ist, kann – so die Rechtsprechung – kein Interesse für sich in Anspruch nehmen, die Leistung, die er gar nicht kennen kann, zu bewerten. Auf diese Weise lassen sich Fake-Bewertungen recht leicht angreifen und der Anspruch auf Entfernung auch durchsetzen.
Bei Fake-Bewertungen ist die Person des Äußernden regelmäßig nicht greifbar. Die Plattformen ermöglichen eine Anonymität und so bleibt letztlich nur, den Plattformbetreiber um die Löschung anzugehen, nachdem man Screenshots angefertigt und die erforderlichen Beweise gesichert hat. Das Landgericht Frankenthal hat in einem solchen Fall den Plattformbetreiber in der Pflicht gesehen, beim Bewertenden eine Stellungnahme einzufordern. Ist nach der Stellungnahme des Bewertenden eine Kundenbeziehung nicht belegt, fehlt es also an der Minimalanknüpfungstatsache, muss der Plattformbetreiber die Fake-Bewertung löschen. Wird jedoch die Kundenbeziehung dargelegt, wird die Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs schwieriger, aber nicht unmöglich.
Auch Kunden dürfen sich trotz des Rechts, ihre Meinung frei zu äußern, keine Formalbeleidigungen anbringen oder sich auf bloße Schmähkritik beschränken. Schwieriger sind die Fälle, in denen der Kunde behauptet, eine Leistung des Bewerteten entspreche nicht den Erwartungen. Hier kommt es darauf an, wie der Bewertende sich konkret äußert. Stellt er eine Tatsachenbehauptung auf, muss sie wahr sein. Als Tatsachenbehauptung gilt eine Äußerung dann, wenn sie mit den Mitteln des juristischen Beweises überprüft werden kann. Gibt es also Dokumente, Fotos, Zeugen etc., liegt eine solche Überprüfbarkeit vor. Unwahre Tatsachenbehauptungen können mit der Meinungsäußerungsfreiheit nicht gerechtfertigt werden, sie sind schlicht zu unterlassen.
Beweislast und Tatsachenbehauptung
Die Herausforderung besteht in solchen Fällen vor allem in der Erfüllung der dem Bewerteten obliegenden Darlegungs- und Beweislast. Möchte man gegen einen unliebsamen Post vorgehen, muss man nämlich vor Gericht in der Lage sein darzulegen und zu beweisen, dass eine Tatsachenbehauptung unwahr ist. Hier hilft in vielen, aber nicht in allen Fällen der Umstand, dass Bewertende Personen aus einer Emotion heraus bewerten und dabei über das Ziel hinausschießen, so dass die Unwahrheit der Behauptung aus ihr selbst heraus greifbar wird. Äußert sich der Bewertende dagegen vorsichtig, ist der Beleg der Unwahrheit der Tatsachenbehauptung nur mit einem entsprechend hohen Aufwand möglich.
Allerdings gibt es auch Fälle, in denen eine Kritik – so unangenehm sie für den Bewerteten auch sein mag – einfach nicht gerichtlich angreifbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn sich der Bewertende vorsichtig äußert, seine Tatsachenbehauptungen belegt und sich trotz einer an sich einwandfreien Leistung des Bewerteten schlecht bedient fühlt und dies in einer Weise kundtut, die die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreitet und auf Formalbeleidigungen verzichtet. Statt hier die unliebsame Botschaft mit juristischen Mitteln zu unterdrücken zu versuchen – was unweigerlich den Streisand-Effekt hervorrufen muss – kann hier nur eine offene Kommunikationsstrategie zielführend sein. Wenn der Unternehmer alles tut, um den Kunden zufrieden zu stellen und dies öffentlich äußert, der Kunde aber auf alle Angebote nicht eingehen möchte, wird die Öffentlichkeit erkennen, dass der Unternehmer sich keinen Fehler vorzuwerfen hat.
Unser Tipp:
Bei der Unternehmenskommunikation insbesondere über soziale Medien und Bewertungsplattformen ist der Streisand-Effekt eine beachtliche Größe, die bedacht werden muss!