Viele Handwerksunternehmen stehen vor der Digitalisierung mit all ihren Möglichkeiten und Anforderungen, aber tun sich schwer damit, den ersten Schritt zu gehen. Meist liegt das daran, dass sie noch nicht wissen, wohin die Reise gehen soll und welche Richtung sie einschlagen sollen. Dieser Artikel soll Ihnen dabei helfen, eine individuell auf Ihren Betrieb ausgerichtete Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten und gibt dazu erste Handlungsempfehlungen.
Strategie – was ist das eigentlich?
Im modernen Sprachgebrauch werden die Begriffe Taktik und Strategie häufig durcheinandergeworfen oder fälschlich synonym verwendet. Der Begriff selbst hat einen militärischen Hintergrund, wird aber auch z. B. in der Politik häufig angewandt. Einer der Begründer des modernen Strategiebegriffs, Carl von Clausewitz, hat sie in seinem Werk „Vom Kriege“ (1832) so differenziert:
„Es ist also nach unserer Einteilung die Taktik die Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht, die Strategie die Lehre vom Gebrauch der Gefechte zum Zweck des Krieges.“[1]
Etwas anders formuliert, gewinnt man mit Taktik Schlachten, aber mit der Strategie Kriege. Sie ist also der Taktik eindeutig übergeordnet. Daher ist es wichtig, dass die (Unternehmens-)Strategie die Taktik(en) vorgibt. Das heißt, man erarbeitet sich eine Strategie z. B. zur Digitalisierung des Betriebs und nutzt dann unterschiedliche Taktiken, um diese zu erreichen. Die Strategie richtet Sie auf ein bestimmtes Ziel aus, die Taktiken führen Sie dann dorthin.
Beispiel Strategie: „Wir als bisher nur gering digitalisierter Betrieb haben bis zum Jahr 2024 die EDV, Baustellendokumentation und Zeiterfassung des Betriebes digitalisiert.“
Beispiel Taktik: „Fahrplan zur Einführung einer digitalen EDV-Lösung erstellen.“
Die Strategie sagt aus, wer Sie sind und wo Sie hinwollen; mit Hilfe der Taktik legen Sie fest, was Sie dafür tun. Das heißt auch, dass Sie zur Erstellung einer Strategie einen gewissen Freiraum haben und auch zeitlich nicht zu stark eingeschränkt sein dürfen. Scheuen Sie sich nicht davor, eine Strategie zu formulieren, die fünf Jahre in der Zukunft liegt!
So fangen Sie an
Langfristige Planung wird immer schwieriger, da sich das Betriebsumfeld immer schneller verändern kann und die Komplexität der Umwelt bzw. des Marktes immer weiter steigt. Deshalb behalten Sie sich im Hinterkopf: Auch wenn Sie sich auf ein Ziel ausrichten, haben Sie damit noch nicht alles in der Hand. Außerdem wichtig: Suchen Sie ein Ziel aus, von dem Sie sich sicher sein können, dass es auch in fünf Jahren noch relevant ist!
Der Blick nach Innen
Der Ausgangspunkt für die Strategiefindung ist natürlich erstmal Ihr Unternehmen. Daher bietet es sich an, die vorhandenen Aktivitäten und Geschäftsprozesse in einer Ist-Analyse zu betrachten und so die größten Potenziale sichtbar zu machen. Unserer Erfahrung nach ist es klug, sich zu Beginn drei Fragen zu stellen:
- Was sind die Hauptpotenziale und Gefahren für Ihren Betrieb?
- Welche Bereiche möchten Sie ausbauen oder erschließen?
- Wo können Sie Wettbewerbsvorteile für sich nutzen?
Als produzierendes Unternehmen gilt der Blick zuerst den Bedürfnissen der Kunden und dann dem Markt als Ganzes, mit den unterschiedlichen Wettbewerbern. Hier stellt sich dann eine weitere Frage: Wollen Sie digitalisieren, bis Ihr Betrieb besser ist als die Konkurrenz, oder streben sie ein Ziel nur für den Betrieb an? Je nach Umfeld kann das einen kurzen Sprint oder einen Marathon bedeuten, daher macht es am meisten Sinn, sich in dieser Frage fast nur um den eigenen Betrieb zu kümmern und andere äußere Faktoren nicht zu vernachlässigen.
Digitalisierung ist insofern gut absehbar, dass Sie sich oft an unterschiedlichen Best Practices ihrer Wettbewerber oder in anderen Branchen einige Aspekte entlehnen können. Dadurch, dass das Handwerk durchschnittlich noch nicht stark digitalisiert ist, können Sie in anderen Branchen schon einen Eindruck gewinnen, was für Sie funktionieren könnte und was nicht. Das können Softwarelösungen sein, neue Technologien und Geräte für die Mitarbeiter, eine effizientere Organisation mit Hilfe digitaler Helfer und vieles mehr.
Stärken, Schwächen und mehr: Die SWOT-Matrix
Eine etablierte und beliebte Methode zur Strategieentwicklung ist die SWOT-Matrix. SWOT steht dabei für
Strengths (Stärken)
Weaknesses (Schwächen)
Opportunities (Gelegenheiten)
Threats (Gefahren)
Sie hilft dabei, die Stärken und Schwächen des Betriebs mit externen Potenzialen und Risikofaktoren abzugleichen, um so Handlungsempfehlungen abzuleiten und eine Strategie immer konkreter werden zu lassen. Effektiv gibt diese Ihnen Auskunft über vier Dinge, die je ein Feld in der Matrix darstellen:
- Ausbaumaßnahmen: Sie können Ihre Stärken optimal einsetzen und nutzen
- Aufholmaßnahmen: hier verschenken Sie aufgrund mancher Schwächen noch Potenzial
- Absicherungsmaßnahmen: drohende Risiken müssen vermieden werden, hier ist Gegensteuern erforderlich!
- Abbaumaßnahmen: Retten Sie, was zu retten ist, schließen Sie nach und nach die Abteilung/produzieren Sie Produkt X nicht länger oder ähnliches.
Beispielhafte SWOT-Analyse für einen fiktiven Handwerksbetrieb[2]
Durch diese Matrix erhalten Sie einen guten Überblick darüber, an welchen Stellen die Digitalisierung für Sie den meisten Sinn ergibt. Theoretisch kann jedes der vier Fenster für Sie am Wichtigsten sein. Die Entscheidung darüber lässt sich nur mit viel Erfahrung und Expertenwissen über den Betrieb treffen, auch außerhalb der Digitalisierungsstrategie können sich hier neue Handlungsfelder auftun. Was Sie im Endeffekt umsetzen möchten, entscheiden Sie selbst.
Weitere Taktikbeispiele, die sich aus der SWOT-Matrix ergeben können:
- Wettbewerbsvorteil durch mehrere schnell umsetzbare Digitalisierungsmaßnahmen erreichen
- Optimierung der Geschäftsprozesse
- Teilnahme an einem Förderprogramm
- Vernetzung der diversen im Betrieb genutzten Schnittstellen
Von der Strategie zur Anwendung
Sobald Sie für sich eine Strategie definiert haben, können Sie diese anwenden und verschiedene Taktiken verwenden, um zum Erfolg zu kommen. Dazu sollten Sie konkrete Taktiken und Meilensteine für den Weg bis zur erfolgreichen Umsetzung der Strategie definieren. Das können Sie z. B. schon grob mit Hilfe eines Zeitstrahls tun und darauf aufbauend konkretere Zwischenziele formulieren.
Zur Aufstellung der Ziele können Sie einerseits ihre Erfahrung nutzen, andererseits gibt es dafür auch Hilfestellungen. Eine solche ist beispielsweise die SMART-Methode. Diese sagt aus, dass man Ziele spezifisch (S), messbar (M), attraktiv (A), realistisch (R) und terminiert (T) formulieren soll.
Handlungsempfehlungen
Im Büro: Papierlos soweit möglich!
Die typischen, papierbasierten Prozesse und Systeme sind oft langsamer und haben einen höheren Verwaltungsaufwand als digitale Arbeitsweisen. Ein Dokumentenmanagementsystem und/oder eine digitale EDV und Stundenerfassung benötigt deutlich weniger Bearbeitungszeit durch Ihre Mitarbeiter für das gleiche oder sogar ein besseres Ergebnis.
Verbessern Sie die Kommunikation!
Bei der Digitalisierung schwingt oft mit, dass alle Informationen zugänglich wären und man nicht mehr miteinander reden muss. Aber das ist nicht der Fall! Die Kommunikation und der Wissenstransfer im Unternehmen sind weiterhin wichtige Schlüssel zum Erfolg
Fazit
Eine allgemeine Digitalisierungsstrategie für Handwerker lässt sich nicht formulieren. Häufig ist es so, dass Handwerksbetriebe mit einer digitalen Zeiterfassung anfangen oder ihre EDV (stärker) digitalisieren. Die Digitalisierungsstrategie sollte auf den jeweiligen Betrieb zugeschnitten und von oder zumindest mit ihm selbst entwickelt werden. Häufig können Betriebe von einer Beratung profitieren, die sie sich in den meisten Bundesländern auch fördern lassen können. Wenn Sie Interesse am Aufstellen einer Digitalisierungsstrategie und ggf. auch Beratung haben, kontaktieren Sie uns gerne!
[1] https://www.clausewitz-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2014/12/VomKriege-a4.pdf, S. 66.
[2] Vgl. dazu B. Wagemann – Blick durch das Schicksalsfenster: Sonne oder Sturm? Strategieentwicklung mit der SWOT-Matrix (2004)