Besonders kleine Handwerksbetriebe haben oft spezielle Anforderungen an Software. Zum einen, weil sie sich teils stark spezialisiert haben und der Einsatz von Standardsoftware nicht zielführend ist, zum andern weil sie nur einen geringen Funktionsumfang benötigen. In diesem Artikel zeigen wir, wann sich lohnt, Software selbst zu entwickeln – oft ist auch eine Förderung möglich!

Standardsoftware vs. Custom Software

Standardsoftware für Handwerksbetriebe ist dazu da, die Bedürfnisse der Mehrzahl der Betriebe zu erfüllen. Die Entwicklung erfolgt dann häufig anhand einer Annahme: des typischen Handwerksbetriebes. Aus diesem Schema kann der eigene Betrieb dann aber herausfallen. Speziell aus diesem Grund hat eine individuell angefertigte, sogenannte Custom Software, die auf den Kunden oder den Betrieb maßgeschneidert ist, eine Existenzberechtigung. Die Vorteile solcher Custom-Modelle sind:

  • Der Betrieb kann den Funktionsumfang bestimmen,
  • der Betrieb arbeitet effizienter,
  • der Betrieb bezahlt nur Funktionen, die er tatsächlich braucht.

Dem entgegen stehen allerdings auch

  • höhere Kosten, da die Software erst entwickelt werden muss,
  • hoher Zeitaufwand bei der Entwicklung.

Das Positive an dem langen Entwicklungsprozess und der dafür benötigten Zeit ist, dass durch die genaue Anpassung und das Testen der Softwarelösung Softwarefehlern („Bugs“) vorgebeugt werden kann, die sonst zu teils erheblichen Problemen führen können. Wie bei Standardsoftware lässt dieser Vorteil die Notwendigkeit einer Software-Wartung aber nicht entfallen. Die Entwicklung schreitet voran und die IT-Landschaft, in die die eigene Lösung eingepasst werden muss, verändert sich stetig. Für die erforderlichen Anpassungsleistungen müssen Folgekosten kalkuliert werden.

Anwendungsbeispiel

Die möglichen Anwendungen im Handwerk sind so vielfältig, dass es nicht immer eine passende Standardsoftware gibt. Auch wenn Ihr Betrieb besonders innovativ ist, kann das schnell bedeuten, dass die vorhandene Standardsoftware schlicht nicht passt. Seien es Arbeitsprozesse, Maschinenkommunikation oder auch spezielle Online-Angebote, die Sie verwirklichen wollen: Custom Software sind kaum Grenzen gesetzt.

Beispiel: Zusammen mit einem Handwerksbetrieb und einem Partner aus der Softwarebranche setzen wir einen Online-Konfigurator um, der es den Kunden des Betriebs ermöglichen wird, sich ihre Dienstleistung Schritt für Schritt samt Beschreibung selbst zusammenzustellen. Dazu kommt eine ungefähre Preisschätzung, sodass man als Kunde einen Überblick über die Kosten behält. Spezielle Wünsche können natürlich weiterhin mit dem Handwerksbetrieb direkt besprochen werden. Bei der Umsetzung dieses ambitionierten Projekts unterstützt uns die Fördermaßnahme go-digital.

Custom Software als perfekte Lösung?

Nun kann man fragen: Ist eine Custom Software damit automatisch besser als Standardsoftware? Nein, das ist sie nicht. Ob eine Custom Software für Ihren Betrieb die beste Lösung ist, hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Ihrem Betrieb und den gewünschten Funktionen,
  • Der technischen Umsetzbarkeit der Custom Software,
  • Dem Funktionsumfang der Standardsoftware,
  • Kosten und Zeit beider Lösungen.

Das bedeutet auch, dass Sie sich erst mit den Standardsoftwares auseinandersetzen müssen, bevor sie eine fundierte Entscheidung treffen können. Unserer Erfahrung nach ist es oft so, dass Standardsoftwares ausreichen, um die Bedürfnisse des Betriebes zu erfüllen. Bisweilen ist der Funktionsumfang aber nicht vollständig klar oder er wird nur zu einem Bruchteil genutzt. Auch ist es teils einfacher, einige wenige Prozesse innerhalb des Betriebs umzugestalten, als eine neue Software entwickeln zu lassen. Hier helfen die von einigen Softwareherstellern angebotenen modularen Konzepte, bei denen sich zu einer Kernanwendung spezielle Zusatzanwendungen nach dem eigenen Bedarf hinzubuchen lassen.

Schließlich muss bedacht werden, dass auch bei Custom Software die Anforderungen, die aus den gesetzlichen Bestimmungen an den Einsatz von digitalen Helfern gerichtet werden, erfüllt werden müssen. Beispielhaft sei hier nur die Anforderung an die Belastbarkeit des Gesamtsystems und die Revisionssicherheit sowie der ausreichenden Funktions- und Verfahrensdokumentation nach den Regelungen der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) sowie den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) genannt. Standardsoftware kann im Einzelfall die Einhaltung dieser Anforderungen durch Zertifikate und Prüfsiegel nachweisen.

Generell gilt die Faustregel: Je technischer und innovativer ihr Betrieb, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie von einer Custom Software profitieren. Auch ist es oft sinnvoll, zuerst mit ihren technischen Partnern oder Maschinenherstellern zu reden. Andere Handwerksbetriebe sind ebenfalls ein guter Ansprechpartner, da diese möglicherweise schon vor der gleichen Herausforderung standen und ihren Weg gefunden haben.

Wie findet man einen guten Software-Entwickler?

Da es sich um ein sehr spezielles Produkt handelt und Sie darauf absolut vertrauen können müssen, ist Custom Software der falsche Platz, um ein paar Euro zu sparen. Das heißt: Holen Sie Informationen und Angeboten von mehreren Anbietern ein und vergleichen Sie diese. Machen Sie jedem genau klar, was Sie möchten und was die Software leisten muss. Oft wenden sich Handwerker an Bekannte, um diese Arbeiten erledigen zu lassen. Das ist allerdings nicht immer ratsam, da eine scheinbar einfache Aufgabe technisch sehr komplex sein kann. Ein „Ja, programmier mir da mal was“ wird Sie wahrscheinlich nicht zum gewünschten Ziel bringen. Lassen Sie sich auch Referenzen zeigen, die die Programmierer haben. So können Sie Ihr Risiko minimieren, für eine Custom Software Zeit und Geld auszugeben, ohne daraus einen Mehrwert zu bekommen.

In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich auch, im Vorfeld kostenlose Informationen und Beratung z. B. bei den regionalen Kompetenzzentren einzuholen. Diese sind zwar zur Produktneutralität verpflichtet und können somit kein bestimmtes Produkt empfehlen, aber wertvolle Informationen und Erfahrungen liefern an der Schnittstelle von Handwerk und Digitalisierung.

Förderprogramme zur Umsetzung

Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, in die Digitalisierung Ihres Betriebs mithilfe einer Custom Software zu investieren, stehen Ihnen Möglichkeiten zur Förderung offen. Dazu gibt es sowohl bundesweite als auch landesspezifische Programme. Als Beispiel dienen hier das oben schon kurz angesprochene go-digital und auch der Digi-Zuschuss Hessen. Go-Digital lässt beispielsweise im Modul „Digitalisierte Geschäftsprozesse“ zu: „Einführung von e-Business-Software-Lösungen für Gesamt- oder Teilprozesse des Unternehmens einschließlich ihrer möglichst sicheren Abwicklung im Unternehmen oder zwischen Unternehmen und Kunden bzw. Geschäftspartnern.“[1]

Wichtig ist, dass Ihr besonderes Vorhaben auch von einem Förderprogramm abgedeckt wird und Sie dieses Programm dann mit einem autorisierten Beratungsunternehmen wie z. B. uns zusammen durchsprechen, beantragen und durchführen. Wir informieren Sie gerne vorab über Ihre Möglichkeiten bezüglich weiterer Förderprogramme und finden dann zusammen eine passende Lösung!

Fazit

Eine maßgeschneiderte Software kann eine teure Sache sein, die Ihren Betrieb im Gegenzug weit nach vorne bringt, wenn Sie es richtig anstellen. Wenn Sie sich entscheiden, diesen Schritt zu gehen, sollte Sie sich zuerst informieren – über Alternativen und Förderung, aber auch über die Wirtschaftlichkeit der Lösung. Für alle, die sich dazu entschließen, Custom Software zu entwickeln ein wichtiger Tipp: Setzen Sie den Vertrag mit dem Programmierer bzw. Softwareentwickler so auf, dass Sie die Rechte an der Software erhalten. Das heißt ALLE Rechte, außerdem den Quellcode der Software. Damit wird sichergestellt, dass Sie diese Software ggf. auch weiterverkaufen und generell alles damit tun können, was Sie möchten. Dazu gehört insbesondere eine anderweitige Weiterentwicklung.

Vor diesem Hintergrund ist empfehlenswert, einen Betrag für die Einholung einer rechtlichen Expertise einzuplanen. IT-Projekte, auch wenn Sie auf den ersten Blick nicht groß scheinen, sind vertraglich schwer zu fassen. So kann z.B. die Vereinbarung einer der modernen Programmiermethoden ohne fachjuristischen Rat das Risiko bergen, am Ende für halbfertige Programme zahlen zu müssen, weil eine Vergütung nicht für die fertige Software, sondern das bloße Tätigwerden des Programmierers geschuldet wird. Die Investition in einen qualifizierten Rechtsrat vor Projektstart ist – auch wenn sie isoliert nicht förderfähig ist – gut angelegt, denn sie hilft, nur für eine einsetzbare Software Ausgaben tätigen müssen und minimiert dadurch die Gefahr, aufs falsche Pferd zu setzen.

[1] https://www.innovation-beratung-foerderung.de/INNO/Navigation/DE/go-digital/FAQ/faq.html#doc626190bodyText11